Digitalisierung | 10.05.2017

Digitalisierung erreichen – Tradition bewahren? Der digitale Change bei Otto

Marcel Bruder
von Marcel Bruder

Neue, digitale Prozesse üben heutzutage einen enormen Druck auf Unternehmen verschiedenster Branchen aus – unabdingbar ist die Fähigkeit, sich umzustrukturieren, wenn der Markt dies erfordert. Wer nicht mitmacht, verliert.

Mit starken Veränderungen muss auch der klassische Einzelhandel kämpfen. Onlineshops wie Amazon bieten nicht nur eine ganz neue Art des Einkaufens, sondern auch eine unerschöpfliche Auswahl; täglich werden neue Produkte ins Angebot aufgenommen. Der deutsche B2C-E-Commerce-Markt boomt: 2016 betrug der Umsatz 44 Milliarden Euro. Damit ist er innerhalb von zehn Jahren um rund 28 Milliarden Euro gestiegen.

Wie sehr dieser Umstand deutsche Traditionsunternehmen unter Druck setzt, zeigt das Versandhandelsunternehmen Otto: Otto muss die eigene Unternehmenskultur gänzlich transformieren. Denn obwohl das Versandhaus heutzutage mehr als 90 Prozent des Umsatzes online erwirtschaftet, haben sich die Erlöse seit der Jahrtausendwende fast halbiert.

Die Hürden eines traditionellen Familienunternehmens

Die besondere Herausforderung für das Versandhaus Otto besteht darin, dass ausgediente Strukturen des bestehenden Unternehmens abgebaut werden müssen. Das „Big Book“, wie Otto seinen Hauptkatalog nennt, dient heute nur noch als Marketingtool. Statt mehrmals jährlich via Print gilt es nun, fortlaufend neue Produkte im Webshop zu platzieren. Das verändert alle Prozesse im Unternehmen, den Arbeitsalltag, das Denken der Mitarbeiter*. Otto hat „mit Altlasten zu kämpfen, die Konkurrenten wie Amazon und Zalando nicht haben“, erklärt Alexander Birken, seit Anfang 2017 CEO der Otto Group.

Birken ist nicht nur Geschäftsführer des Versandhandels, sondern auch Chef von 123 Tochterunternehmen aus der ganzen Welt. Dazu gehören beispielsweise das Katalogversandhaus Heine, die Einzelhandelskette Toys „R“ Us oder der Online-Shop Bon Prix. Auch den beiden zuletzt genannten Töchtern bereitet die digitale Transformation Schwierigkeiten.

Momentan arbeitet Alexander Birken an einem neuen Leitbild und einer Strategie für die Otto Group. Sie soll im April 2017 verabschiedet werden. Birken gilt als fit im digitalen Bereich. Er weiß, dass die Otto Group – vor allem aber die Filialketten und Versandhäuser – agiler werden müssen. Lange Zeit war das Hauptthema: Wie schaffen wir es aus dem Katalogzeitalter ins Onlinegeschäft? Entsprechende Veränderungen wurden langsam durchgeführt, Umsatzeinbrüche sollten vermieden werden, kein Kunde oder Mitarbeiter auf der Strecke bleiben. Schließlich verfügen viele Mitarbeiter über keine allzu großen Erfahrungen mit digitalen Prozessen und es fällt ihnen schwer, die Veränderungen nachzuvollziehen. Doch gerade die Belegschaft muss die Digitalisierung im Unternehmen mittragen und umsetzen. Zudem möchte Aufsichtsratschef Michael Otto trotz des Wandels bestimmte Traditionen des Familienunternehmens beibehalten – etwa soziales Engagement. Der neue CEO muss also bei der Ausgestaltung der Strategie die Balance zwischen radikalem Change und traditionellen Werten schaffen.

Digitale Kompetenzen ausbauen

Die Otto Group hat im Bereich digitale Kompetenz einiges nachzuholen. Laut Birken steht das Unternehmen da noch „ganz am Anfang“. Im September 2016 wurde die Otto Group Digital Solutions (OGDS) gegründet, um alle digitalen Dienstleister der Gruppe unter einem Dach zu bündeln. Dazu gehören diverse Unternehmen aus den Bereichen Data Driven Advertising, E-Payment, Betrugsprävention sowie Anbieter von Shoppingportalen und Produktsuchmaschinen. Der OGDS gehören damit Unternehmen an, die Antworten auf die folgende Frage suchen: Wie lässt sich das Wissen über die Kunden und die Performance der Websites noch zielbringender nutzen, um die digitalen Angebote attraktiver zu gestalten? Die Consumer Experience soll damit verbessert, die Reichweite im Bereich Online erhöht werden. Die Unternehmen wurden beauftragt, die Otto Group in eine „data-driven Company“ zu transformieren. Die OGDS arbeitet zu diesem Zweck gemeinsam mit Top-Entwicklern auf der ganzen Welt in agilen Projekten an neuen Big-Data-Technologien.

Agilität – unabdingbar im digitalen Bereich

Einer wesentliches Augenmerk für den Change legt die Otto Group auf das Einführen agiler Strukturen: Birken möchte das unter anderem durch Distanzabbau und das Stärken von Vertrauen zwischen Führungskräften und der Belegschaft erreichen. Zu diesem Zweck wurde konzernweit das Duzen eingeführt.

Auch sei ein verändertes Rollenverständnis von Führungskräften nötig. Eine Führungskraft müsse lernen, ihre Verantwortungen zu delegieren, sie müsse Rahmen setzen können, innerhalb derer agiles und freies Arbeiten möglich ist. Nur so ließe sich die Geschwindigkeit steigern: „Wir fangen an, das zu erleben. Es kommen Impulse, Ideen, die wesentlich schneller sind“, sagt Birken. Und Branchenkenner sind sich sicher: Die Otto Group ist auf einem guten Weg. Einige Tochterunternehmen von Otto verzeichnen sogar bereits ein deutliches Umsatzwachstum. Der Ottoversand konnte seinen Umsatz im Geschäftsjahr 2015/16 um 10 Prozent steigern, die Gewinne stiegen überproportional zum Umsatz. Trotzdem dürfen sich die Einzelgesellschaft und die Otto Group nicht auf diesen Erfolgen ausruhen. Denn die Digitalisierung schreitet voran, sie ist kein endlicher Prozess. Und damit wird auch die Transformation weitergehen.

* Aus Gründen der Leserlichkeit und Übersichtlichkeit werden im vorliegenden Text die männlichen Personenbezeichnungen verwendet. Dabei sind natürlich stets beide Geschlechter gemeint.

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